Vorgang, Prozess und Workflow – Versuch einer Begriffsabgrenzung

Wenn in der Verwaltung über Begriffe wie Prozess, Workflow, Vorgangsbearbeitung diskutiert wird, zeigt sich immer wieder, wie unterschiedlich die Auffassungen darüber sein können, was darunter zu verstehen ist. Die folgende kleine Tabelle ist ein Versuch, die Begriffe möglichst plastisch gegeneinander abzugrenzen.

Produktkataloge AblaufmodelleProduktions-durchläufe
Produkte/Aufgaben gem. komm. Produktplan
Weitere (i. d. R. interne) Produkte/Aufgaben
Zusammenhangs-tätigkeiten
Freiwillige Aufgaben
Pflichtige Selbstverwaltungs-aufgaben
Pflichtaufgaben
Auftrags-angelegenheiten
Ad-hoc-Tätigkeiten
Projekte
Prozess
Workflow
Projektstrukturplan
Leistungsphasen HOAI
Projektstufen AHO
Ablaufplan
Montageanleitung
Wartungsplan
Scrum-Framework
Kanban
Design-Thinking
Anleitung
Dienstanweisung
Geschäftsvorfall
Vorgang
Arbeitsauftrag
Sprints und Releases (Scrum)
Ticketflow (Pullprizip, Kanban)
Nicht abschließende Tabelle der kommunalen Produkte, der Ablaufmodelle und der Produktionsdurchläufe. Die farblichen Hervorhebungen dienen der Lesbarkeit.

Produktkataloge

Die Produktkataloge beschreiben welche Produkte die Kommune anbietet. Die einzelnen Listen können sich überlappen. Neben klar beschriebenen Produkten gibt es auch solche, die erst bei Bedarf genauer beschrieben werden, also Projekte. Kurz gesagt steht in dieser Spalte „Was wird produziert?“

Ablaufmodelle

Ablaufmodelle beschreiben, wie die Produkte erzeugt werden, also welche Arbeitsschritte erforderlich sind und welche Organisationseinheit sie ausführt. Den meisten Ablaufmodellen liegt ein zeitlicher Ablauf, eine mehr oder weniger strikte Reihenfolge der Abarbeitung zugrunde. Die Ablaufmodelle können stark oder schwach strukturiert sein. Der Strukturierungsgrad hängt im Wesentlichen davon ab, wie exakt sich die Produkte oder Ziele beschreiben lassen und wie ungestört und vorhersehbar sie ablaufen können.
Bei den Ablaufmodellen geht es um die Frage „Wie wird produziert?“

Produktionsdurchläufe

Mit Produktionsdurchläufe sind die konkrete Herstellungsvorgänge zur Erzeugung eines Produkts gemeint, beispielsweise der konkrete Vorgang zur Besetzung einer freigewordenen Stelle oder die Verlängerung eines Reisepasses. Die Produktionsdurchläufe können sich von Durchlauf zu Durchlauf je nach Fallkonstellation unterscheiden. Bei den Produktionsdurchläufen geht es um die Fragen „Was war konkret zu tun oder zu entscheiden?“ und „Wer hat wann was entschieden oder erledigt?“

Prozess versus Vorgang

Prozess

Beispiel für einen allgemeinen Sachbearbeitungsprozess

Ein Prozess beschreibt die Abfolge der zur Erzeugung eines Produkts notwendigen Arbeitsschritte und welche Stellen für die Durchführung zuständig sind. Der Prozess kann parallel, alternativ, mehrfach oder nach Eintritt eines Zwischenereignisses durchzuführende Arbeitsschritte enthalten. Arbeitsschritte können innerhalb des Prozesses zu Teilprozessen aggregiert werden. Prozesse wiederum können zu Prozesslandkarten aggregiert werden. Man kann unterscheiden

  • Führungsprozesse, welche den Rahmen für die Kernprozesse setzen und steuern,
  • Kernprozesse, mit denen die direkte Wertschöpfung generiert wird und
  • Unterstützungsprozesse, mit denen die Ressourcen (Personal, Finanzmittel) und Infrastrukturen (Räume, Ausstattung, Kommunikations- und Informationsnetze) für die Kernzprozesse bereitgestellt werden.

Das Beispiel zeigt einen allgemeinen Sachbearbeitungsprozess mit Auslöser, Sachbearbeitung, optionale Rückfrage- oder Nachforderungsschleifen, optionale Mitzeichnung, Ausfertigung sowie optionale Abarbeitung von Beschlussverfügungen und abschließender Dokumentation.

Vorgang

Beispiel 1 für zwei verschiedene Vorgänge, die nach dem gleichen Prozess ablaufen. Bei diesem Vorgang mussten Unterlagen nachgefordert wurden. Außer z. d. A. gab es keine Beschlussverfügungen.
Beispiel 2 für zwei verschiedene Vorgänge, die nach dem gleichen Prozess ablaufen. Bei diesem Vorgang gab es keine Rückfragen und es mussten keine Unterlagen nachgefordert wurden. Dafür mussten mehre Beschlussverfügungen abgearbeitet werden.

Ein Vorgang ist eine Zusammenfassung von Aktivitäten und Entscheidungen – inintiiert durch einen Auslöser, die in einem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang stehen und ein definiertes Ergebnis haben. In Verwaltungen werden die meisten Vorgänge auf Basis von Dokumenten bearbeitet. Ein Gegenbeispiel wäre eine Baumpflegemassnahme der Grünflächenunterhaltung – ebenfalls ein Vorgang, der auf einem Prozess beruht, der aber nicht anhand von Dokumenten, sondern manuell mit Werkzeugen ausgeführt wird.

In den Bildern sind zwei verschiedene dokumentenbasierte Vorgänge auf Grundlage des oben modellierten Prozesses dargestellt. Der Vorgang 1 könnte beispielhaft so abgelaufen sein:

  • Auslöser
    Der Vorgang beginnt mit dem Eintreffen eines Dokuments – ein Antrag für eine Abgeschlossenheitsbescheinigung – bei der zuständigen Sachbearbeitung.
  • Sachbearbeitung und Wiedervorlagen
    Die Sachbearbeitung beginnt mit der Vorgangsbearbeitung. Es zeigt sich, dass ergänzende Unterlagen und Informationen benötigt werden, die von der Sachbearbeitung angefordert werden. Ausserdem ist eine Rücksprache mit der Führungskraft und eine Zwischenentscheidung notwendig. Bis diese Arbeitsschritte erfolgt sind, ist die Sachbearbeitung unterbrochen.
  • Mitzeichnung
    Nachdem die Sachbearbeitung eine Entscheidung getroffen hat, fasst sie alles entscheidungsrelevante in einem Beschluss zusammen. Die Sachbearbeitung hat nicht die Befugnis über den Vorgang abschließend zu entscheiden. Deswegen bittet sich die Führungskraft um Zustimmung (Mitzeichnung). In unserem Beispiel erfolgt die Mitzeichnung ohne Änderungswünsche. Anderenfalls wäre der Beschluss zur Überarbeitung an die Sachbearbeitung zurückgegangen.
  • Ausfertigung und Versand
    Auf Basis des Beschlusses wird nun ein Schreiben beziehungsweise die gewünschte Bescheinigung ausgestellt und an den Antragsteller verschickt.
  • Beschlussverfügungen
    Als nächster Prozessschritt steht das Abarbeiten der sogenannten Beschlussverfügungen an, das können beispielsweise Kenntnisnahmen oder eine Eintragung in eine Statistikliste sein. In unserem Beispiel gab es nichts dergleichen. Die Vorgangsdokumente konnten nach dem Versand der Ausfertigung gleich geordnet zu den Akte gegeben werden.

Beim zweiten Mustervorgang gab es keine Rückfragen oder nachzufordernde Unterlagen nachgefordert. Dafür mussten mehre Beschlussverfügungen abgearbeitet werden.

Beide Vorgänge basieren also auf dem gleichen Ablaufmuster oder Prozess, laufen aber abhängig von der Fallkonstellation im Detail unterschiedlich ab. Technisch ausgedrückt würde man sagen, jeder Vorgang ist eine Instanz des Prozesses.

Prozess versus Workflow

Beispiel für einen Workflow. Dargestellt ist ein Ausschnitt aus einem Sachbearbeitungsworkflow. Jede Zeile stellt eine Aktivität dar. Man kann sehen, wie die Aktivitäten nacheinander ablaufen. Jede Aktivität hat einen Status. Im Beispiel ist gerade die erste Mitzeichnung aktiv und in Bearbeitung.

Die Abgrenzung von Prozess und Workflow ist schwieriger als bei Prozess und Vorgang. Denn beide, Prozess und Workflow, sind Ablaufmodelle. Tatsächlich werden die Begriffe im Alltag oft synonym gebraucht.

Der Unterschied besteht darin, dass Prozess und Workflow unterschiedliche Sichten auf Abläufe darstellen und auch für unterschiedliche Zwecke verwendet werden. Während Prozesse der strategisch-organisatorischen Sicht auf die Abläufe dienen, benötigt man die Darstellung als Workflow für die operative Sicht.

Mit Workflows werden Folgen von Arbeitsschritten (Aktivitäten) zur Produktion von Ergebnissen definiert. Workflows beschreiben, wie die Arbeit fließt, also wer, wann und wie einen zu Grunde liegenden Prozess ausführt. Jede Aktivität kann die folgenden Bearbeitungsstatus annehmen, die bei der konkreten Vorgangsbearbeitung nacheinander durchlaufen werden:

  • „Aktiv“ (Die Aktivität ist für die im Workflow hinterlegte Person zur Bearbeitung aktiv geschaltet.)
  • „In Bearbeitung“ (Die Aktivität wird zuzeit ausgeführt.)
  • „Wartet auf“ (Die Bearbeitung der Aktivität ist unterbrochen, weil auf Zuarbeit Dritter gewartet wird.)
  • „Erledigt“ (Die Bearbeitung wurde abgeschlossen.)

Workflows werden im Wesentlichen für die Automatisierung von Prozessen benötigt. In der Verwaltung werden mit ihnen Dokumente (beziehungsweise Links zu Dokumenten), Informationen und Aufgaben in einen Dokumentenmanagementsystem oder Vorgangsbearbeitungssystem von einer Bearbeitungsstation zur nächsten weitergereicht.

Autor: Peter Bauer

Architekt und Organisationsentwickler. Ich schreibe über Themen, die mich beruflich oder privat interessieren. Beruflich geht es meistens um Agilität, Organisationsentwicklung oder Dokumentenmanagement. Private Artikel drehen sich um Literatur, Film, Architektur und Japan. Ich freue mich immer über konstruktives Feedback oder blickerweiternde Widerrede. わたしは建築家 と 組織の開発者です。 ブログの主題は、だたい敏捷性と組織開発、文学、映画、建築と日本についてです。 視野を広げる建設的なフィードバックいつでも喜んで受けています。

Ein Gedanke zu „Vorgang, Prozess und Workflow – Versuch einer Begriffsabgrenzung“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: